Weg mit der Achtsamkeit
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Wenn Du eine Putzfrau einstellen willst,
dann besuche sie in ihrer Wohnung.

Sprichwort, Autor unbekannt


Liebe Leserinnen und Leser,

Weg mit der Achtsamkeit!
Also wie jetzt?
Weg mit der Achtsamkeit im Sinne von "abschaffen"?
Oder doch eher den Weg gehen, den die Achtsamkeit bietet?

Beides ist gemeint.
Der Titel ist bewusst zweideutig gewählt.
Denn es geht im Management auch immer um die Effizienz in den Dingen.

Wenn der Kern einer Sache letztendlich "Achtsamkeit" oder "respektvoller Umgang miteinander" heißt, kein Problem. Häufig genug ist genau das der wunde Punkt in einer Organisation. Und dann ist an dieser Aufgabe zu arbeiten. Dann ist klar, dass es genau diese Herausforderung zu bewältigen gibt.

Was aber, wenn die eigentliche Problemstellung nur hinter vorgeschützter Achtsamkeit à la "Das ist bei unseren besonderen Umständen nicht möglich" oder: "Da kannst Du nicht mitreden, weil das ist so spezifisch" verborgen wird?
Dann lautet die Aufgabe nämlich ganz anders. Und dann plädiere ich tatsächlich dafür, eine ohnehin nur vorgeschobene Achtsamkeit radikal aus dem Weg zu räumen.

 

Viel wurde und wird ja immer noch geredet und geschrieben über diese Achtsamkeit. Kaum ein Bericht zu aktuellen HR-Themen erscheint, in dem nicht von "Wertschätzung", "Sorgsamkeit" oder "Achtsamkeit" die Rede ist. Persönlich finde ich die Worte "Anstand" und "Respekt" schöner und auch griffiger - das ist aber ein anderes Thema.

Gemeint ist in beiden Fällen, dass sich Menschen mit einer entsprechenden Achtung und Vorsicht bewegen, ihr Gegenüber als Gleichberechtige gelten lassen und sich selbst im Verhalten und in Handlungen darauf einstellen - eine sehr lobenswerte Sache also!


Licht und Schatten

Leitbild, Unternehmenskultur und oft genug auch die reinen Lippenbekenntnisse von Vorgesetzten haben weite Bereiche unseres Arbeitslebens schon so weit (v)erzogen, dass man bei kritischen Diskussionen nur noch auf die mangelnde "Achtsamkeit" hinzuweisen braucht. Schon wird jeder Diskurs und kritische Auseinandersetzung erstickt.

Ich habe ausreichend Belege aus meiner Praxis, dass sich gänzlich unvorbereitete, mit dürftigen Argumenten ausgestattete und selbst Zuspät-Kommende bei Meetings den kritischen Kommentaren dadurch zu entziehen versuchen, dass sie sich hinter den "besonderen Umständen ihrer Arbeit" verstecken und unverblümt von ihren Kritikern ein wenig mehr Rücksicht für ihre ach so schwierige Lage verlangen.


These, Folge und Umkehrschluss

Gegen den Strom zu schwimmen, ist schwer.
Mal reicht die Kraft nicht, mal fehlt es an der Zeit, um bis zur Quelle zu gelangen.

Eine ganz unkonventionelle und pragmatische Lösung basiert auf folgender Annahme: Einige wesentliche (An-)Triebe der Menschen sind nicht bewusst steuerbar, sie 'passieren' .

Daher liegt es nahe, dass sich auch die innere Haltung "Achtsamkeit" nicht nur im Umgang mit gleichgestellten Kollegen, Vorgesetzten und zu führenden Mitarbeitern beobachten lässt, sondern auch an anderen Beispielen festgemacht werden kann.

These: Ein Mensch ist tatsächlich achtsam aus innerer Überzeugung und lebt diese Einstellung auch.

Folge: Wenn jemand diese Form der aufrichtigen Achtsamkeit verinnerlicht hat, dann wird sie in vielen Lebensbereichen spürbar, erlebbar und ist beobachtbar.

Umkehrschluss: wenn die Achtsamkeit grundsätzlich nicht vorhanden ist, dann ist sie auch im Team nur gespielt; sie ist dann keine innere Überzeugung und wird lediglich zur strategischen Kommunikation eingesetzt.


Eine mögliche Anleitung für Führungskräfte

Wie aber soll eine Führungskraft wissen - oder auch nur erahnen - wer genau und vor allem: was sich hinter dem so mächtigen "Achtsamkeits-Panzer" verbirgt? Ist der Hinweis eines Mitarbeiters darauf berechtigt und das Team sollte tatsächlich umsichtiger und respektvoller agieren? Oder ist die eingeforderte "Achtsamkeit" nur ein vorgeschobener Diener, der weitere Auseinandersetzungen in einer Sache abwimmeln soll?

Beobachten Sie doch einmal nicht, wie Ihre MitarbeiterInnen mit den anderen Menschen umgehen. Beobachten Sie stattdessen, wie diese ihre Betriebsmittel und die persönlichen Dinge behandeln.

Beispiele für diese Form eines sorgsamen Umgangs könnten aus den unterschiedlichsten Bereichen etwa sein:
  • Hat der oder die MitarbeiterIn dutzende und oft auch kaputte Kugelschreiber?
    Oder pflegt er/sie ein gutes, funktionierendes Schreibgerät? (Innendienst)

  • Wie fährt der- oder diejenige mit dem Dienstwagen?
    (Umwelt-)Schonend und vorausschauend oder eher hektisch und abrupt? (Außendienst)

  • Ist die Arbeitskleidung gepflegt und wird sie "wie der beste Anzug" getragen?
    Oder spürt man, dass es sich dabei um eine Vorschrift handelt? (Labor / Reinraumproduktion)

  • Liegen die Produktproben oder Prototypen lieblos herum?
    Oder werden sie pfleglich behandelt? (Entwicklung)

    Generelle Administration

  • Mit welcher Sorgfalt werden z.B. USB-Sticks (oder andere Peripheriegeräte) angeschlossen und rausgezogen?

  • Tastatur, Maus und Bildschirm? Wird die Pflege ausschließlich den Reinigungskräften überlassen oder wird auch mal selbst Hand angelegt?

  • Wie spricht jemand über seine / ihre hauptsächlich verwendete Software?

  • Ist der Arbeitsplatz (Tisch / Stühle .... ) und Besucherplatz aufgeräumt?
    Oder wird er nur bei akutem Bedarf "freigeschaufelt" und gesäubert?


Schere, Lineal, Lampen, Laptop, Kaffeetasse, Aktentasche, Ordnungssysteme, Klammermaschine, Locher, Bindegeräte, Kaffeeautomaten, Kopierer ... die Liste an Materialien ist unendlich lang.
Es gibt mehr Geräte als Menschen, an denen sich die konzentrierte Aufmerksamkeit eines Mitarbeiters messen lässt.

Auch wenn es zweifellos ganz wesentliche Unterschiede zwischen Dingen und Menschen gibt - Auto und Bleistift bleiben letztendlich immer ein "Mittel zum Zweck" - so können Sie als Führungskraft aus dem Umgang damit doch viel über einen Menschen erfahren. Und Sie erfahren es mit Sicherheit unverfälschter als bei nicht endenwollenden Diskussionen.

Seien Sie also wachsam und fokussieren Sie Ihren Blick für einmal bewusst auf das weitere Arbeitsumfeld - die Erkenntnisse können äußerst erhellend sein.

Viel Erfolg und einen scharfen Blick wünscht Ihnen

Dr. Peter Troy

http://www.topos-online.at
 






      

 
   


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