Das Los eines Texters
"Sie sind doch Profi, hmm?"


  Texten tu' ich sehr gerne.
Oder besser: habe ich früher am liebsten gemacht.
Aber der Reihe nach.

Vor langer Zeit, es war anno 2002 oder sogar noch später, habe ich einen Auftrag zum Schreiben angenommen.
Der ergab sich so nebenbei.
Der Auftrag wurde übergeben mit folgenden, ausgewählten Worten:
"Sie sind doch Profi, hmm?"

Es war eigentlich nur kleiner Nebenjob, en passant wie man so sagt.

Aber, wie das so ist im Geschäftsleben, er war dringend!
Ist ja oft so: je kleiner das Ding, desto wichtiger nimmt man es.
Und nicht nur im Geschäftsleben.
Aber das ist ein ganz anderes Thema.

Also bei dem Auftrag war nichts mit anbieten, verhandeln, feilschen.
Oder den Vertragsabschluss zelebrieren.

Schreiben, schreiben, schreiben!
Kennen wir ja von den Galeeren: rudern, rudern, rudern....

Inhalt des Auftrags waren zehn 10 Briefentwürfe.
Vom bisherigen Schreibstil ein wenig herausgehoben.
Nicht abgehoben, nur rausgehoben.
Nicht zuviel versteht sich, aber halt doch ein wenig .....

Nun zugegeben: schreiben kann jeder selber.
Schließlich haben wir alle die Grundstufe der Schule absolviert.
Manche vielleicht auch nur abgesessen.
Aber die lesen das hier sowieso nicht.

Und so mag die Zeitnot des Auftraggebers mit ein Grund für das Outsourcen gewesen sein.
Outsourcen ist, wenn man nicht selber rudert, sondern andere rudern läßt.
Externe rudern ja immer gerne. Und wenn nicht, sie lassen sich dieses Rudern jedenfalls bezahlen. Aber dazu dann weiter unten.

Ich erspare Ihnen diskreterweise die Inhalte.
Das macht auch den Bericht kürzer.
Und den Auftraggeber stimmt es auch versöhnlicher. Wenn er hier nach seinen Briefen auch noch mitlesen sollte. Könnte ja sein.

Sie als unbeteiligte Leser stellen sich jetzt vor, dass der Auftrag zeitgerecht und inhaltlich ordentlich abgeliefert wurde.

Und Sie wissen, es lag kein Angebot vor.
Das sagte ich ja oben schon.
Also kommt der Moment der Moment der Rechnungslegung.
Anfragen. Höflich, versteht sich.
Und ganz wichtig: ja nichts an der Geschäftsbeziehung kaputt machen, denn das war nur der Nebenauftrag. Aber auch das sagte ich schon.

Ich: "Wieviel Zeit kann ich für das Texten der Briefe verrechnen?"

Der Aufraggeber: "Also dass Sie mir da einen guten Stundensatz machen, nicht das volle Beraterhonorar wie sonst. So knapp unter ATS 1.000.-"
ATS steht für Schillinge, eine Währung die nur begrenzt regional verbreitet war
und die ohnehin später dann aufgelöst wurde.


"Und so mit zwei Stunden kommen Sie hin, hmmm?", fügte er hinzu.
Das "hmmm" erwähne ich, weil es - so wie es gesagt wurde - keinen Widerspruch duldete.

Und als die Rechnung fertig ist, im Kuvert und auch im Postkasten, mache ich - rein gedanklich versteht sich - eine Nachkalkulation.

Ich verrechne für den Auftrag von 10 Briefen 2 Stunden.
Das sind in anderer Währung 120 Minuten.

Pro Stunde ist ein Stundensatz von Euro 65 passend.
Das wäre in altem Geld knapp unter der gewünschten Grenze von ATS 1.000.- gelegen.
Insgesamt für 2 Stunden also 130 Euro.
Oder umgerechnet auf eine Minute macht das 1,08 Euro.
Soweit einmal die Basisdaten.

Ich nehme einmal vorsichtig an, dass für das Entgegennehmen des Auftrags und die Erklärung 5 Minuten vergangen sind.

Der Rest war Smalltalk, also auch für mich angenehm.
Und nur wenige Berufe können Angenehmes verrechnen.
Ein Texter jedenfalls nicht.
Ein Ruderer auch nicht.
Und andere stehen hier nicht zur Debatte.

Der Downlaod der zugeschickten Dateien, für das Handling der Worddokument in der Mailbox, das Starten des Programms "Word" sowie nach Auftragsabschluss das Löschen aller Dateien und Vorlagen vergehen noch einmal 11 Minuten.

Hätte ich einen schnelleren PC, so einen von 2 Gigaherz aufwärts, wären es bestimmt nur 10 gewesen. Und überhaupt: warum ist bei einem Texter das Schreibprogramm nicht ohnehin schon offen? Also jedenfalls alles nicht Sache des Auftraggebers. 10 Minuten. Basta!

Das Ausdrucken, Lesen und Einarbeiten in die insgesamt 5 verschiedenen Themenbereiche (dafür wurden mir insgesamt 7 Briefe als Einarbeitsungslektüre zugeschickt ) schaffe ich in 5 Minuten.
"Sie sind doch ein Profi, hmm?"

+ Annahme des Auftrags
+ PC-Gemurkse
+ Einarbeiten
= Summe
5
10
5
= 20
Diese insgesamt 20 Minuten reduzieren den Zeitrahmen zum Schreiben von 120 auf 100.

Ich bin ein langsamer Tipper.
Bin ja auch Texter und nicht Schreibkraft, sonst würde ich mehr verdienen.
Alleine das wahllose Eintippen von irgendwelchen Zeichen in Brieflänge dauert bei mir rund 3 Minuten.
Das Speichern und dann beim Versand aus der Fülle aller sich anbietenden Dateien das richtige Attachment auffinden ... Sie kennen das? Ach so, na gut, dann nehmen wir es zu meinen Lasten. Ist ja auch nicht der Rede wert.

Kurzes Korrekturlesen.
Abgleichen.
Verbessern.
Bei ein wenig Übung in 2 Minuten locker zu schaffen.
"Sie sind doch Profi, hmm?"

Sind also nochmal rund 5 Minuten für Tippen, Speichern, Korrigieren - als Pauschale versteht sich.
Trödeln wird ja nicht geduldet.
Und wenn geduldet, jedenfalls nicht bezahlt.

Abgezogen bleiben also noch immer satte 95 Minuten.
Ach ja, eine kurze Verständnis-Rückfrage per Telefon ist in 5 Minuten erledigt - Profi und so - , macht also 90 Minuten netto.
Pure Arbeitszeit.

Telefongebühr und übrigens später auch das Porto für die Rechnung sind immer meine Sache. Da mag ich auch nicht drüber reden.

90 Minuten Arbeitszeit für 10 Briefe.
Vollständige, richtige Briefe.
Mit Einleitung, Hauptteil und Schluss.

Das bleiben dann pro Brief satte 9 Minuten Arbeitszeit, wo ich mich voll austoben kann.
Ansetzen, versuchen, löschen, umformulieren, Sätze umstellen.
Was immer ich will, die Zeit gehört mir!

Na, seien Sie ehrlich. In dieser Zeitfülle ist doch ein gut getextetes Briefchen locker zu schaffen, hmm?

Und wer das nicht zuwege bringt, ich meine, innerhalb von 9 Minuten einen ordentlichen Brief zu schreiben, der soll meinetwegen outsourcen.
Externe Texter seien ja schon um 65 Euro pro Stunde zu kriegen.

Ich texte immer noch auf Auftrag.
Manche bringen es eben nie zu etwas!
Fallweise überlege ich, ins Lager der Ruderer zu wechseln.
Ist zwar auch eine harte Sache, aber jedenfalls gesünder.
Wenn es soweit ist, gebe ich Ihnen an dieser Stelle Bescheid.
Bis dahin erreichen Sie mich hier.
Oder auch hier.
Wenn Sie wollen.
Dann schreibe ich auch für Sie.
Als Profi versteht sich. Das wär' doch was? Hmmm?



Peter Troy
Juli 2002






 

   


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