Organisationsentwicklung - intern oder mit Begleitung?
Aus einem Vortrag
  

Nachträgliche Niederschrift eines Vortrages, den ich im Juni 1997 gehalten habe.






Organisationsentwicklung -
intern oder mit externer Begleitung?




Um uns dem Spannungsfeld des Themas zu nähern, wollen wir einmal, zumindest für heute abend, einen gemeinsamen Begriff davon aufstellen, was wir unter OE verstehen? OE ist eine angewandte wissenschaftliche Disziplin, die ein paar Merkmale aufweist, die wir festhalten wollen:

    "OE ist die Veränderung von Organisationen in einer Art,
  • dass die betroffenen Personen und Gruppen die Änderungen selbst aktiv einleiten und betreiben
  • dass die Änderungen den Zweck der Organisation und den Bedürfnissen der Menschen bestmöglich entsprechen
  • dass die Veränderung die interne Funktionstüchtigkeit der Organisation und der Mitarbeiter verbessert (damit diese Anforderungen besser erkennen, verarbeiten und reagieren).
  • dass die Umgestaltung auf eine evolutionäre Weise zustande kommt, also Raum zum Lernen, zum Bewußt-Werden und Neukonzipieren vorhanden ist und daher von den Mitgliedern mitgetragen werden
  • dass die Betroffenen insgesamt durch die aktive Umgestaltung einen Zuwachs an sozialer Fähigkeit erfahren"
(nach Trebesch "OE in Europa", S.24 f)


Mit diesem Hintergrund wollen wir uns dem praktischen Alltag widmen. Für diesen Abend wurde ich gebeten, einmal die Jungunternehmer in die Überlegungen miteinzubeziehen.


Der Jungunternehmer

Nehmen wir einen typischen Fall: ein technisch begabter Ing. macht sich selbständig, erhält zwei Förderungen und hat eine gute Produktidee. Er wird selbständig und durch den Erfolg stellt er nach ein paar Monaten zwei Mitarbeiter ein.

In diesem Moment ändert sich seine Welt. Er wird zur Führungskraft. "Führungs"-Kraft beinhaltet das Wort "Führen". D.h. er hat ab sofort die oberste Aufgabe, seine Mitarbeiter zu führen. Er muß lernen zu delegieren, Vertrauen zu haben, seine Mitarbeiter müssen ihre Aktivitäten dem - sicher noch nicht schriftliche vorhandenen - Leitbild unterordnen, er muß ein Augenmerk auf die Teamfähigkeit legen (zwei gute neue Mitarbeiter sind nicht zwingend ein Super-Team), er muß überwachen und kontrollieren, intervenieren und natürlich muß er weiterhin am Produkt, dem Kunden und der Marktseite Beachtung schenken.

Es sollte bereits jetzt allen klar sein, dass sich eine wesentliche Änderung der Aufgaben ergeben hat. Ich behaupte, dass die Radikalität der Veränderung aber dennoch von Ihnen allen unterschätzt wird.

Es ist genau dies ein Beispiel, dass es sich nicht mehr um eine lineare Fortsetzung der Aufgaben handelt, um eine Interpolation einer Funktion. Es ist keine quantitative Änderung (etwa mehr Zeit im Betrieb zu verbringen, mehr Kunden zu gewinnen, mehr Umsatz oder Gewinn zu erwirtschaften) sondern eine neue Qualität. Und bekanntlich lassen sich neue Aufgaben meist nicht mit alten Methoden meistern.

Anhand der Grafik (die mir viel lieber ist als die verbalen Umschreibungen) können wird diese Stufen kurz einmal durchgehen.

Ablauf
(anklicken für Grafik)


nach: Diether Gebert


Kein Jungunternehmer - was gilt dann?


Soweit zum Jungunternehmer. Wenn Sie nun nicht gerade ein Unternehmen gegründet haben, sondern in einer Führungsposition tätig sind, waren Sie bisher vielleicht nicht besonders betroffen, nicht gerade gefesselt von den Aussagen.

Schauen sie aber Ihre Aufgabe einmal an: ein neuer Markt wird ab sofort bearbeitet, ein wichtiger Umsatzkunde ist weggebrochen, die Hausbank hat gewechselt, der Vorgesetzte geht nächstes Jahr in Pension (oder gar der Eigentümer in einem Familienunternehmen!), die EDV wird erneuert oder ausgelagert, ein neuer Lieferant wurde verpflichtet oder oder oder ...

Glauben Sie wirklich, dass dies Routine-Aufgaben sind, die weniger radikal in die Prozesse des Unternehmens eingreifen, als der Schritt vom Einzelunternehmer zur Anstellung von zwei weiteren Mitarbetern?

Je nach Stabilität der Organisation sind solche Eingriffe mit vehementen Veränderungen verbunden.


Stabilität

Machen wir uns kurz Gedanken zu diesem Begriff der "Stabilität". Jeder Manager hat das Ziel, eine stabile Organisation aufzubauen. Seien Sie ehrlich zu sich selbst: mit Stabilität verbinden Sie etwa Worte wie "mächtig", "trotzend", "standhaltend", "unverrückbar", "gleichbleibend", "unveränderlich" "unverwundbar" oder "überlebend".

"Überlebend" ist eine korrekte Assoziation, alle anderen sind falsch! Stabil meint nämlich per definitionem "unter veränderten Umständen immer noch existierend". Und dies erfordert das Gegenteil von "unverrückbar", "unveränderlich" nämlich "anpassungsfähig" und "flexibel", "wandlungsfähig" oder "biegsam". Techniker kennen diese Anforderungen vom Brückenbau oder Turmbau. Kein Techniker wollte die Brücke so bauen, dass sie unter Belastungen nicht nachgibt, nicht zu schwingen beginnt, oder ein Turm, der beim Glockenschlag nicht um 50cm sich neigt, beim Sturm nicht in alle Richtungen sich biegt. Die Stabilität besteht genau darin, dass sich etwas anpaßt!

Für ein Unternehmen oder eine Partei oder einen Verein oder eine Familie bedeutet dies, dass sich unter veränderten Umständen (Freizeit, Wohlstand, Ethik, Umweltschutz, ...) eine Überlebensfähigkeit darstellt, indem mit diesen Veränderungen ein neues Zusammenspiel sich abzeichnet, nicht gegen die Umstände "stabil" bleibt - diese Stabilität wäre zum Bruch verurteilt!


Nun zurück zum Thema: intern oder mit externer Unterstützung!

Ich schicke folgende Aussage vorweg, damit sie gar nicht auf den Gedanken kommen, es beginne eine Werbebotschaft für Topos: OE ist eine interne Führungsaufgabe! Es ist die Aufgabe des Managements, Prozesse, Mitarbeiter, Produkte und Lösungen so zu gestalten, dass sie unter den vorausschaubaren und nicht vorausschaubaren Umständen der Zukunft Bestand haben.

"TQM", "KVP", "Reenineering" "Kaizen", "ISO-Zertifizierung", "Benchmarking", "continous engineering" und zuletzt noch "share-holder-value" und "Nachhaltigkeit" sind zunächst einmal (Schlag-) Worte. Sie können für einen internen Prozeß hilfreich sein, eine fundierte Standortbestimmung zu machen. Sie sind aber nicht zwingend und in allen Fällen ein OE-Prozeß! Gerade was "Nachhaltigkeit" anbelangt, sind z.B. die Politiker in einem kaum zu glaubenden und ärgerlichen Masse dumm, wie sie Steuergelder und andere Mittel an einen Modebegriff binden, ohne auch nur definieren zu können, was sie darunter verstehen oder sich ernsthaft Gedanken gemacht zu haben, was dieser Begriff meint.


Diese Dummheit findet sich im übrigen auch bei vielen Unternehmern, die statt sich mit den Mitarbeiter in einem internen Dialog auseinanderzusetzen oder einmal ihr Führungsaufgabe wahrnehmen, lieber um teures Geld einen "Guru" von außen holen und sich von Modeströmungen der Beraterszene blenden lassen.


Trotzdem - ich will keine Pauschalverurteilung machen - gibt es Gründe, mit externen Beratern einen OE-Prozeß einzuleiten und durchzuführen.


Gründe für eine externe Beauftragung

Unterscheiden wir zunächst, was sich der Auftraggeber erwartet:

  1. Soll der Berater über hohe "Methodenkompetenz" verfügen, keine inhaltlichen Probleme lösen, sondern einen OE-Prozeß "begleiten"?
  2. Soll der Berater einen inhaltlichen Beitrag zum anstehenden Problem geben können, also "Sachkompetenz" besitzen?



Sachkompetenz

Auf die Frage 2 nach der Sachkompetenz will ich nicht näher eingehen, das sie tausendfache Ausprägungen haben kann (etwa EDV und Internet, Bankwissen, Exportmärkte, Fuhrpark, Lohn- und Gehaltsabrechungssysteme, ....)
Es soll aber differenziert werden, ob es sich um den Zukauf einer fertigen Lösung handelt oder ob interne in einem Projekt doch noch spezifische Adaptionen gemacht werden. Werden Adaptionen noch gemacht, kann es sich um OE handeln, ansonsten würde ich den Begriff OE nicht verwenden, sondern schlicht von Zukauf sprechen.


Methodenkompetenz

Zum 1. Punkt gibt es viel zu sagen. Wenn ein guter Berater über die notwendige Kompetenz der Methoden verfügt, kann er wie ein Sporttrainer die bereits vorhandene Leistungsfähigkeit optimieren. Wichtig ist, dass im Sinne der OE diese Fähigkeit in der Organisation bereits vorhanden ist. Soclhe Gründe könnten sein:


- Erfahrung

Es kann auch eine Hilfe sein, dass ein Berater über die Branchen hinweg Erfahrungen hat und damit zur Lösung einer Aufgabe beitragen kann (Denkanstoß, Analogien, Vergleiche).


- Glaubwürdigkeit

Es kommt vor, dass Ideen und Vorschläge aus dem Inneren einer Organisation nicht dieselbe Glaubwürdigkeit besitzen (Widerstände gegen die Person, die den Vorschlag macht; Skepsis an der Objektivität oder der Kompetenz; "Prophet im eigenen Land")


- Zeitgründe - Kapazitätsgründe

Manche Beauftragungen resultieren aus der Einsicht, dass ein Entwicklungsschritt getan werden muß, aber derzeit sind intern die zeitlichen oder personellen Ressourcen nicht gegeben und ein externer Berater wird mit Vorbereitung und Analyse beauftragt.


- Disziplin

Vielleicht wäre der Begriff "Schlamperei" besser gewählt. Gemeint ist die Unfähigkeit der Organisation (genauer: der arbeitenden Menschen), sich an einen Zeit- und Inhaltsplan über eine längere Zeit mit ausreichender Ausdauer zu widmen oder der Gestaltung die nötige Sorgfalt und Bedeutung beizumessen.


- Unwissenheit - Fähigkeit

Da ein OE-Prozeß nicht unbedingt zum Arbeitsalltag gehört, kann es über den Start, die Bedingungen und die Vorgehensweise nicht ausreichende Klarheit geben und vernünftigerweise wird dafür ein Spezialist herangezogen.

Das Eingeständnis "Unwissenheit" und "Fähigkeit" sind hier keine elementaren Defizite, sondern Eingeständnis, keine omnipotenten Götter der Wirtschaft zu sein!


- Motivation und Wertschätzung

Um im betrieblichen Alltag den Mitarbeitern zu zeigen, dass die Entwicklung der Organisation ein wichtiger und bedeutungsvoller Schritt ist, wird durch die Beauftragung signalisiert, dass sowohl der zeitliche als auch der budgetäre Rahmen der Bedeutung der Aufgabe entsprechend gewählt wird. Dies kann eine hohe Signalwirkung haben.


- Unmöglichkeit des "Innen und Außen"

Es ist denkunmöglich, innerhalb einer Organisation und gleichzeitig außerhalb zu sein. Wer innerhalb eines Systems eine Rolle zu spielen hat, kann nicht zeitgleich im Außen eine Beurteilung abgeben. Die Rolle des kritischen Beobachters und Hinterfragers wird damit an eine - nicht in der Organisation involvierte - Person übertragen.


- Neutralität

Auch wenn die Grundzüge der herrschaftsfreien Kommunikation bekannt sind, kann die legitime Parteienstellung ("Ich bin aus meiner Sicht für oder gegen...") verhindern, dass dieselbe Person die Moderation und Leitung des Prozesses übernimmt. Paradefall wäre ein Ehepaar mit Streitpunkt Urlaubsziel.


-Autorität / Furcht

Die persönliche, fachliche oder verliehene Autorität eines Vorgesetzen kann es verhindern, dass von Mitarbeitern gegen Themenstellungen, Abläufe oder Lösungsansätze etc. Einwände vorgebracht werden. Dabei ist unerheblich, ob die befürchteten Sanktionen der Mitarbeiter tatsächlich oder nur vermeintlich eintreten würden. Ein "neutraler Dritter" in Form eines Beraters sollte dieses Gefälle beseitigen und eine unbefangene Meinungsäußerung aller Beteiligter sicherstellen.

Leider ist nach meiner Beobachtung die Zahl der kritischen Mitarbeiter (gemeint sind solche, die ihre Bedenken auch äußern) durch die Arbeitslosigkeit kleiner geworden.


- Vertrauen / Zeit der Vorgesetzten

Trotz Bemühen gelingt es nicht allen Vorgesetzen, zu ihrem Mitarbeiterstab ein vertrauensvolles Klima herzustellen. Es wird natürlich durch dieses Mißtrauen (Angst, Hemmungen, Minderwertigkeit...) eine offene und aktive Beteiligung verhindert. Dem externen Berater obliegt es, als dritte Partei (nicht als Handlanger der Managerebene) zu dieser Offenheit zu ermuntern und die Hemmnisse zu beseitigen.


- Feigheit

Feigheit soll heißen, erkanntes und für notwendig erachtetes Verhalten / Handeln zu unterlassen, obwohl die Fähigkeit und Möglichkeit und die Verpflichtung dazu vorhanden ist (Entlassungen auszusprechen, Investitionen zu kürzen oder zu tätigen, Umstrukturierungen durchzuführen etc.).

Die persönliche Feigheit in Managerkreisen ist weiter verbreitet, als dies angenommen wird. In solchen Fällen werden meist renommierte Beratungsunternehmen beauftragt, ein "Gutachten" für einen im Voraus feststehenden Sachverhalt zu schreiben und umzusetzen.

Die Feigheit ist dabei eine dreifache:
  1. Täuschung
  2. menschliche Feigheit
  3. Verantwortungslosigkeit


    ad 1. Die Täuschung der Belegschaft durch die Vorgaukelung eines wichtigen Arbeitsschrittes (dabei steht das Ergebnis bereits fest!) und

    ad 2. Äußert sich im persönlichen Verstecken hinter fremden Gutachten und

    ad 3. Gemeint ist die Scheu, Verantwortung für eventuelles Scheitern zu übernehmen (man redet sich auf externe Berater hinaus). Damit machen heute viel Berater eine Menge Geld. Das hat aber mit seriöser OE-Arbeit nichts zu tun. Was ich von deren Arbeit halte, behalte ich schweigend für mich.


Was spricht gegen eine externe Begleitung?

Wir haben damit einige Gründe, die für einen externen Berater sprechen. Was spricht gegen ihn? Nun, wenn die obigen Voraussetzungen wegfallen, fällt auch die Notwendigkeit des Beraters weg. Ganz simpel: andere Voraussetzungen haben eben auch andere Konsequenzen.

Damit können wir das weite Land der Organisationsentwicklung erahnen, ohne in der Kürze der Zeit in die Tiefe eingedrungen zu sein. Es sollten, so war mein Ziel, ein paar Anregungen dabei sein. Ich hoffe, dies erfüllt zu haben.

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